Ob Projektmanager, IT-Dienstleister oder freiberufliche Programmierer - viele Solo-Selbständige dürften in den letzten Tagen aufgeatmet haben. Denn die geplante Verschärfung der Regelungen zur Scheinselbständigkeit durch den § 611a BGB sind vorerst vom Tisch. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat im Februar den Gesetzentwurf, der aus Sicht vieler Selbständiger einen praxisfremden Kriterienkatalog zur Einstufung der Scheinselbständigkeit enthielt, zurückgezogen.
Das geplante Gesetz hätte für zahlreiche Solo-Selbständige das Aus bedeutet. Das ursprüngliche Ziel des Gesetzes, Arbeitnehmer zu schützen und den Missbrauch von Werkverträgen zu unterbinden, hätte dazu geführt, dass in vielen Branchen die Selbständigkeit quasi abgeschafft worden wäre. Zur Unterscheidung, ob eine wirkliche Selbständigkeit oder eine Scheinselbständigkeit und damit eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, sollte ein Kriterienkatalog dienen: Der Beschäftigte ist nicht frei darin, seinen Arbeitsort und seine Arbeitszeit zu bestimmen
- Er erbringt seine Leistung in den Räumen des Auftraggebers
- Er benutzt zur Erbringung der Leistung Arbeitsmittel des Auftraggebers
- Er arbeitet bei der Erbringung der Leistung mit angestellten Mitarbeitern des Auftraggebers zusammen
- Er ist überwiegend für einen Auftraggeber tätig
- Er unterhält keine eigene betriebliche Organisation (z.B. eigene Geschäftsräume, eigene Mitarbeiter)
- Die Leistung ist nicht auf das Erreichen eines bestimmten Arbeitsergebnisses oder Arbeitserfolges ausgerichtet
- Er hat für das Ergebnis seiner Tätigkeit keine Gewähr zu leisten
Weder die Erfüllung eines einzelnen Kriteriums noch die Erfüllung mehrerer Kriterien führen automatisch zur Scheinselbständigkeit. Es kommt also immer auf die Betrachtung des Einzelfalls an. Das heißt aber im Umkehrschluss: auch wenn mehrere Kriterien nicht erfüllt sind, kann nichtzwangsläufig davon ausgegangen werden, dass eine Selbständigkeit vorliegt!
Ein Projektmanager beispielsweise muss sich bei der Erbringung seiner Leistung zwangsläufig an den Arbeitszeiten des Auftraggebers orientieren. Er wird in den Räumen des Auftraggebers arbeiten und auch mit Mitarbeitern des Auftraggebers eng zusammen arbeiten. Er nutzt regelmäßig die vom Auftraggeber vorgeschriebene Hard- und Software. Eigene Geschäftsräume oder Mitarbeiter sind für ihn nicht zwingend erforderlich.
Nach massiven Interventionen aus der Wirtschaft wurde das „Werkvertragsgesetz“ nun entschärft und der Kriterienkatalog zurück genommen. Auch wenn dies für die Auftragsvergabe an Solo-Selbständige ein gutes Zeichen ist, eines wurde nicht erreicht: Endlich Rechtssicherheit bei der Bewertungspraxis der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRB) zur Bewertung des sozialversicherungsrechtlichen Status eines Selbständigen zu schaffen. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die Deutsche Rentenversicherung bei immer mehr Statusfeststellungsverfahren eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung anstatt einer Selbständigkeit sieht. Merkmale eines Scheinselbständigen sind aus Sicht der DRB:
- die uneingeschränkte Verpflichtung, allen Weisungen des Auftraggebers Folge zu leisten
- die Verpflichtung, bestimmte Arbeitszeiten einzuhalten
- die Verpflichtung, dem Auftraggeber regelmäßig in kurzen Abständen detaillierte Berichte zukommen zu lassen
- die Verpflichtung, in den Räumen des Auftraggebers oder an von ihm bestimmten Orten zu arbeiten
- die Verpflichtung, bestimmte Hard- und Software zu benutzen, sofern damit insbesondere Kontrollmöglichkeiten des Auftraggebers verbunden sind
Die Ablehnungsquote bei freiwillig initiierten Statusfeststellungsverfahren ist von unter 18,9% in 2006 auf 47,0% in 2014 gestiegen – ohne dass es in dieser Zeit eine Gesetzesänderung gegeben hätte. Dies führt selbstverständlich zu Verunsicherung bei den Auftraggebern – denn die Strafen und Nachzahlungen sind erheblich. Auch eine erfolgreiche Statusfeststellung als Selbständigerist kein „Freibrief“, da es sich nur um eine Momentaufnahme zum Zeitpunkt der Antragstellung handelt. Die Folge: Eine steigende Zurückhaltung der Auftraggeber bei der Auftragsvergabe an Solo-Selbständige.
Was also tun als Selbständiger? Eine Berücksichtigung der oben genannten Kriterien bei der Vertragsgestaltung ist sicher hilfreich, dennoch entscheiden die tatsächlichen Umstände bei der Beurteilung. Während man früher zu einer freiwilligen Initiierung des Statusfeststellungsverfahrens raten konnte, ist dies bei der Entwicklung der Ablehnungsrate nun mit Vorsicht zu genießen. Letztlich bleibt eine Hoffnung: Der Gesetzentwurf von Frau Nahles hat eine breite Front von Wirtschaftsverbänden, Journalisten und Bundestagsabgeordneten sensibilisiert und eine Initiative für mehr Rechtssicherheit bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von Selbständigen in Gang gesetzt.